Soft vs. Hard Skills in Software Testing

16.06.2022
Mohsen Ekssir

Die Soft Skills sind neben Hard Skills essenziell für Unternehmens- und Projekterfolge. Die Soft Skills-Eigenschaften sind sehr vielfältig und verbergen viel Optimierungspotenzial. Aber was sind genau die Soft Skills-Eigenschaften und was sind die Herausforderungen dabei?

Mit der Digitalisierung und Entstehung komplizierter (im Sinne von interner Abhängigkeit) und komplexer (im Sinne von Vielschichtigkeit) werdender Dienste, werden zugleich neue technische und fachliche Skills im Bereich des Software Testing und der Qualitätssicherung (QS) erforderlich. Dafür werden ständig neue Trainings entwickelt und auf den Markt gebracht: Trainings für Internet of Things, künstliche Intelligenz, Test Automation Engineering, Agile Technical Tester u.s.w.

Diese Trainings sollen dazu beitragen, die Ausbildung neuer oder die Umbildung und Weiterbildung bestehender Softwaretest-Ingenieure für die neuen Themen zu ermöglichen. Diese und viele andere Trainings sollen die nötigen Fach Skills für die bevorstehenden Herausforderungen der nächsten Jahre vermitteln. Für die neuen Zeiten, die auf uns zukommen, sollen wir gewappnet sein. Die QS der neuen Herausforderungen, die auf uns zukommen, sind ohne entsprechende Fach Skills nicht möglich.

Im Wirbel rund um die neuen Technologien wird aber den Soft Skills wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Oft wird vergessen, dass die Fach Skills auf der Basis von Softskills „installiert“ und in „Betrieb“ genommen werden sollen. Und dass der Mensch und seine Kompetenzen (immer noch) das Herzstück vieler Prozesse, Arbeitsvorgänge und sozio-technischen Domänen darstellen.

Auf dem Markt gibt es ein großes Angebot an Trainings für das Erwerben von Fach Skills aber für Softskills ist das Angebot sehr mager. Außerdem beziehen sich die meisten Soft Skills Trainings auf dem Markt hauptsächlich auf Kommunikation- und Führungskräfte-Trainings. Diese Trainings können aber nicht das gesamte Spektrum der Soft Skills abdecken. Der Umfang und die Mannigfaltigkeit von Softskills sind viel größer als nur Kommunikation- und Leadership-Fähigkeiten.

Bevor wir das Thema weiterbehandeln, sollten wir hier in aller Kürze zuerst Soft und Hard Skills definieren und diese unterscheiden.

 

Hard Skills

„Harte Fähigkeiten“ sind fachlich oder technisch überprüfbare erworbene Qualifikationen. Diese Qualifikationen können objektiv durch unterschiedliche Überprüfungsformen wie schriftliche, mündliche Tests oder die Erstellung von Arbeitsproben bewertet und gemessen werden. Diese Qualifikationen können z. B. durch Schul- und Universitätsabschlüsse, Berufserfahrung (Learning by Doing) oder Absolvieren bestimmter Ausbildungsprogramme und Trainings erworben werden. Die ISTQB®-, IREB-Trainings mit entsprechenden Zertifizierungsprüfungen können hier als Beispiele erwähnt werden. Die Zeugnisse oder Zertifikate dienen als objektive Beweise der entsprechenden Qualifikationen. Die folgenden Beispiele können ebenfalls den Hard Skills zugeordnet werden:

  • Diverse Berufserfahrungen
  • Kenntnisse über Programmiersprachen
  • Kenntnisse über natürliche Fremdsprachen
  • Tools-Kenntnisse
  • UML-Kenntnisse
  • Technologiekenntnisse
  • Kenntnisse über Standards, Normen und Prozesse
  • KFZ-Führerschein

 

Soft Skills

Die Soft Skills („weiche Fähigkeiten“) können im Gegensatz zu Hard Skills nicht objektiv bewertet und gemessen werden. Diese lassen sich nur subjektiv bewerten, was natürlich suboptimal ist.

Die Soft Skills gehören zu den wichtigsten Faktoren, die den Erfolg eines IT-Projektes beeinflussen. Das ist keine neue Erkenntnis. Vor ca. 40 Jahren hat McKinsey‘s 7-S-Modell zum ersten Mal von Hard und Soft Skills gesprochen und die enorme Wichtigkeit der Soft Skills dargestellt. Dieses 7-S-Modell hat gezeigt, dass nicht nur die finanziellen Messgrößen, Mission und Werte des Unternehmens, Strategie und Struktur im Unternehmen und Projekt, sondern vor allem die in Unternehmen angestellten Menschen mit ihren Einstellungen und Wertesystemen den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens oder Projektes bewirken. [1]

Heinz Hellerer zählt die fehlenden Soft Skills zu den „Top-Projektkillern“. Er schreibt: „Die meisten Projekte aber scheitern an Problemen auf der menschlichen Ebene, der emotionalen und kommunikativen Ebene: an mangelnder Methodenkompetenz, an der Arroganz der Projektleitung oder der Entwickler, an mangelnder Menschenkenntnis, fehlender Selbsteinschätzung und fehlender Führungskompetenz sowie an ungelösten Konflikten im Projektteam, an der unzureichender Informationen an die Stakeholder, an ausbleibenden Zielvorgaben und latenter Bunkermentalität.“ [2]

Oft wird der Begriff „Soziale Kompetenz“ dem Begriff Soft Skill gleichgesetzt. Das ist aber nicht richtig. Die soziale Kompetenz stellt nur eine Teilmenge der Soft Skills-Eigenschaften dar.

Die Eingrenzung der Soft Skills ist sehr schwierig und deswegen gibt es auch keine allgemein anerkannte Definition dafür. In der Literatur gibt es eine Fülle von unterschiedlichen Definitionen. Oft werden die Eigenschaften einer Person in Bezug auf den Umgang mit sich selbst und den Umgang mit anderen Menschen als Soft Skills bezeichnet. Der Autor dieses Beitrags unterstützt die Idee, die Methodenkompetenz noch zusätzlich den Soft Skills-Kompetenzen zuzuordnen. Mit anderen Worten können die Soft Skills in die folgenden drei Kompetenzgruppen unterteilt werden:

  • Persönliche Kompetenz
    • Die innere Einstellung und Haltung einer Person zur Umgebung und Arbeit.
    • Dies umfasst hauptsächlich die Eigenschaften und Fähigkeiten einer Person im Umgang mit sich selbst.
  • Soziale Kompetenz
    • Diese umfasst die Eigenschaften und Fähigkeiten einer Person in Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen.
  • Methodische Kompetenz
    • Diese umfasst die Fähigkeiten und Fertigkeiten die erforderlich sind, um u. a. die Informationen einzuholen, zu beschaffen, zu verwerten und zu verwenden, um zielorientiert Probleme lösen zu können. [3]

 

Soft Skills-Landkarte

Die Grenzen zwischen den drei Kompetenzgruppen sind fließend und flexibel. Es ist nicht immer leicht, eine bestimmte Soft Skills-Eigenschaft einer bestimmten Kompetenz zuzuordnen. Es gibt leider keinen Standard oder es kann keinen Standard geben, der die Soft Skills reguliert und starr klassifiziert. Der Autor hat versucht, hier die 38 verschiedenen Soft Skills-Eigenschaften den o. g. drei Kompetenzgruppen zuzuordnen und die Soft Skills-Landkarte in Abbildung 4 zu erstellen:

Diese Soft Skills-Landkarte behauptet nicht, alle möglichen Soft Skills-Eigenschaften oder -Fähigkeiten zu beinhalten. Es ist aber immerhin ein Versuch, ein Big Picture über die Mannigfaltigkeit der Soft Skills zu geben und diese zu klassifizieren. Manche Eigenschaften wie z. B. Führungsfähigkeit sind ein Komplex und eine Kombination aus Eigenschaften aller drei Kompetenzen. Für die Führungsfähigkeit sind außer einem effektiven Umgang mit anderen Menschen, Eigenschaften wie Selbstorganisation, sicheres Auftreten, Präsentationstechniken und Entscheidungsfähigkeit aus den anderen Kompetenzen auch erforderlich. Hier wurde aber die Führungsfähigkeit zur Gruppe „Soziale Kompetenz“ zugeordnet, da hier der Umgang mit anderen Menschen im Vordergrund steht.

Es ist nicht möglich, hier auf die genannten Eigenschaften einzugehen und sie genauer zu beschreiben. Dies würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Für unterschiedliche Projektsituationen sind unterschiedliche Soft Skills-Eigenschaften notwendig. Manche Personen bringen viele von diesen Eigenschaften mit, manche weniger. Es sollte aber möglich sein, bei Bedarf und situationsbezogen, sich gezielt bestimmte Eigenschaften anzueignen. Diese müssen vorausschauend geplant und absolviert werden. Leider, decken wie schon eingangs erwähnt, die Soft Skills-Angebote auf dem Markt nicht alle möglichen Felder in diesem Bereich ab.

Ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang ist in Bezug auf Soft Skills-Eigenschaften für die Arbeit im virtuellen Raum. Welche Soft Skills-Eigenschaften sind besonders für Interaktionen im virtuellen Raum notwendig und an welche Aspekte muss es geachtet werden? Das ist ein neuer Bereich, der seine speziellen Bedürfnisse und Regel hat und entsprechend behandelt werden soll.

 

Operationalisierung der Soft Skills

Wie bereits erwähnt, stellt die Bewertung der Soft Skills-Eigenschaften eine Herausforderung dar. Es ist viel einfacher zu überprüfen, ob ein Softwaretest-Ingenieur die erforderlichen Testautomatisierungsfähigkeiten (Fach Skills) mitbringt, als seine/ihre analytischen Fähigkeiten (Soft Skills) zu evaluieren.

Wir wissen, dass so lange etwas nicht gemessen werden kann, dies auch nachweislich nicht verbessert werden kann. In unserem alltäglichen Leben haben wir oft mit Begriffen und theoretischen Konstrukten zu tun, die sich schwer bewerten lassen, wie z. B. Intelligenz, sozialer Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Gebrauchstauglichkeit. Um diese Begriffe messbar zu machen, hat man versucht diese zu operationalisieren. Für die Operationalisierung soll neben der Bestimmung des geeigneten Messinstruments, die Kennzahl, Erhebungsmethode und das Verfahren zur Aufbereitung der gewonnen Informationen festgelegt werden. [4] Auf diese Weise ist es z. B. möglich den Intelligenzquotienten einer Person oder die Gebrauchstauglichkeit einer Webseite zu evaluieren. Dieselbe Vorgehensweise können wir auch für die Messbarmachung von Soft Skills Eigenschaften anwenden. Es sollte möglich sein, im Rahmen von unterschiedlichen Forschungsarbeiten, bestimmte Soft Skills-Eigenschaften zu operationalisieren und damit messbar zu machen.

 

Covid-19-Pandemie und Learning Revolution

Die Learning Revolution ist kein Produkt der Covid19-Pandemie, aber sie erfuhr in unserem digitalisierten Zeitalter durch die Pandemie einen erheblichen Schub. Die Fach Skills-Trainings wurden in kürzester Zeit mit Erfolg auf Online-Seminare umgestellt und der Begriff „Home-Learning“ wurde neu entdeckt und großflächig ausgerollt. Heute werden praktisch alle Fach Skills-Trainings im QS-Bereich auch online angeboten. Bei den Soft Skills-Trainings ist aber die Situation anders. Die Classroom Soft Skills-Trainings können nicht so einfach auf Online-Seminare umgestellt werden.

Laut Albert Mehrabian besteht die Kommunikation zwischen zwei Menschen zu 93% aus non-verbaler Kommunikation. Laut ihm macht die Körpersprache 55% der Kommunikation zwischen zwei Menschen aus, 38% der Kommunikation wird über Ton und Stimme transportiert und lediglich 7% über den Inhalt oder gesprochenen Worte. [5]

Für Soft Skills-Trainings (besonders für die sozialen und methodischen Kompetenzen) sind u. a. die Körpersprache, Mimik, Gestik, Stimme und der Tonfall sehr wichtig. Es soll möglich sein, bei unterschiedlichen Simulationen der Projektsituationen, die Team- und Personeninteraktionen sowie  Konversationen zu üben. Die gängigen technischen Tools und Ausrüstungen können derzeit im Großen und Ganzen die hohen Anforderungen in Bezug auf Kommunikation im Rahmen von Soft Skills-Trainings nicht erfüllen. Die Soft Skills Online-Seminare können derzeit technisch-bedingt die optimalen Rahmenbedingungen für diese Zwecke nicht bieten. Diese weisen massive Einschränkungen gegenüber der Soft Skills-Präsenztrainings auf.

Selbststudium und Home-Learning im Bereich Soft Skills können im Vergleich zu den Fach Skills noch weniger erfolgreich eingesetzt werden. Wie wirke ich auf die anderen? Wie soll ich in verschiedenen Projektsituationen umgehen und interagieren? Wie soll die Kommunikation innerhalb und außerhalb des Teams laufen? Wie kann ich die anderen motivieren? Wie kann ich eine Sitzung moderieren? Und viele weitere Fragen sollen in Trainings simuliert, diskutiert und professionell interpretiert und reflektiert werden. All dies ist schwierig im Rahmen eines Online-Trainings anzubieten.

Die nächste Internetgeneration, Metaverse könnte hier aber vielversprechend sein und neue Möglichkeiten mit sich bringen. Metaverse sollte zu einer tatsächlichen Revolution in Sachen Bildung generell und zu einem disruptiven Game Change im Bereich des Soft Skills-Trainings beitragen. Wir sollen in diesem Bereich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

 

Fazit

  • Soft Skills sind essenziell für den Erfolg eines Unternehmens oder eines Projekts. Daher bestehen großes Potenzial und die Notwendigkeit, in diese zu investieren.
  • In Soft Skills zu investieren, reduziert das Projektrisiko.
  • Soziale Kompetenz stellt nur eine Teilmenge der Soft Skills dar.
  • Die Soft Skills-Landkarte hilft, um situationsbezogen und projektspezifisch, die erforderlichen Soft Skills-Eigenschaften festzulegen und diese plangemäß zu optimieren.
  • Durch Investitionen in Soft Skills-Forschungen sollte es möglich sein, diese messbar zu machen.
  • Metaverse eröffnet einen neuen und hoffnungsvollen Horizont für Soft Skills Online-Trainings.

 

Quellen

  1. Dagmar Recklies, 2000, Das 7-S-Modell (managementportal.de)
  2. Dr. Heinz Hellerer: Soft Skills für Softwaretester und Testmanager, d.punkt.verlag GmbH, 1. Auflage 2013, Heidelberg
  3. Methodenkompetenz – Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Methodenkompetenz
  4. Operationalisierung – Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Operationalisierung
  5. Albert Mehrabian – Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Mehrabian

 

Der Autor

Dipl.-Ing. Dr. Mohsen Ekssir (mohsen.ekssir@expleogroup.com) ist QA-Manager bei der Firma Expleo Group Austria GmbH und hält als Senior Trainer verschiedene ISTQB® und IREB Trainings ab und hat Erfahrung von 10 Jahren Unterricht an der Fachhochschule Wiener Neustadt im Bereich Qualitätsmanagement. Er leitet die ASQF-Fachgruppe Softwaretest Österreich und ist Präsident-Stellvertreter des Austrian Testing Board. Ekssir ist unter anderem Co-Autor des Buches „Der Integrationstest“.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.