Testschulen – Die Quality School

02.07.2025
Anna-Christina Feldhusen

Was sind eigentlich Testschulen – und warum solltet Ihr sie kennen?

In der Welt des Softwaretestens gibt es viele Meinungen, Methoden und Ansätze – manchmal führt das zu fruchtbaren Diskussionen, manchmal zu hitzigen Debatten. Aber woran liegt das eigentlich?
Ein möglicher Schlüssel zum Verständnis: Testschulen.

Der Begriff „Schule“ meint hier eine Denk- oder Herangehensweise, die von gemeinsamen Werten, Zielen und Techniken geprägt ist – ähnlich wie in der Wissenschaft oder Kunst. Die Klassifizierung auf Schulen kann bei Meinungsverschiedenheiten helfen, indem eine Diskussionsgrundlage geschaffen wird. Denn unterschiedliche Wertvorstellungen können erklären, warum wir unterschiedliche Strategien bevorzugen.

Der Softwaretest-Experte Bret Pettichord hat in seinem einflussreichen Paper fünf solche „Schulen“ identifiziert, die unser Denken über Qualität und Testen prägen.

Mit dieser Blogreihe möchten wir die fünf klassischen Testschulen vorstellen und gehen den Fragen nach, was die einzelnen Schulen ausmacht und wo sie sich unterscheiden.

Darüber hinaus beschäftigt sich diese Reihe final mit der „Schule“ des Modern Testing, die aus dem AB Testing Podcast von Alan Page und Brent Jensen hervorgegangen ist.

Dieser Artikel ist entstanden aus dem Vortrag „Guardians of Quality: Eine Reise durch die Schulen der Test-Galaxien“ von Georg Haupt bei den Software Quality Days 2025.

Die Quality School: Testen als Schutz für den Nutzer

In der Quality School dreht sich alles um ein zentrales Ziel: der Schutz der Nutzer:innen vor schlechter Software. Testen ist hier nicht nur ein Mittel zur Fehlersuche, sondern ein aktiver Beitrag zur Sicherstellung von Qualität – mit klaren Werten, Prozessen und Verantwortlichkeiten.

Die Quality School sieht Testen als Teil einer übergeordneten Qualitätssicherung. Sie geht davon aus, dass gute Qualität nicht zufällig entsteht – sondern durch Disziplin, Standards und kontinuierliche Prozessverbesserung. Dabei müssen Tester:innen möglicherweise die Entwickler:innen kontrollieren, damit die Regeln eingehalten werden. Schlüsselfrage dieser Schule ist: Befolgen wir einen guten Prozess?

Typische Konzepte & Werkzeuge der Quality School sind:

  • Qualitätsmeilensteine und Gatekeeper-Prinzip „Die Software ist erst dann fertig, wenn die QA sagt, dass sie bereit ist.“
  • Prozessmodelle wie CMMI, SPICE oder TMMi
  • Metriken zur Prozessreife und Einhaltung von Standards
  • Reviews, Audits und Lessons Learned

Die Haltung dahinter

Qualität beginnt beim Prozess – und Tester:innen sind die Hüter:innen dieses Prozesses. Sie achten darauf, dass Regeln eingehalten werden, Anforderungen erfüllt sind und potenzielle Risiken erkannt werden, bevor es die Nutzer:innen tun.

In dieser Sichtweise ist Testen nicht „lästig“, sondern ein essentieller Bestandteil der Wertschöpfungskette.

Vorteile

  • Starke Fokussierung auf Nutzerinteressen
  • Klare Rollen und Verantwortlichkeiten
  • Testen als strategischer Hebel für kontinuierliche Verbesserung

Kritikpunkte

Die Quality School setzt stark auf Prozesse und kann dadurch als restriktiv oder top-down-lastig empfunden werden. In agilen Umgebungen wirkt sie oft schwerfällig, weil sie viel Kontrolle und Planung verlangt. Zudem wird der „Gatekeeper“-Ansatz nicht überall positiv gesehen – er kann die Zusammenarbeit zwischen Test und Entwicklung erschweren. Ohne Spezifikation ist Testen nicht möglich, da Entwickler sonst nicht an den Prozess gebunden sind.

Auch der hohe Stellenwert von Zertifizierungen stößt auf Kritik: Sie beweisen Wissen, aber nicht zwangsläufig Fähigkeiten.

Fazit

Die Quality School hebt die Rolle der Tester:innen auf ein strategisches Level: Hier geht es nicht nur um das Finden von Fehlern, sondern um das aktive Gestalten und Sichern von Qualität im gesamten Entwicklungsprozess. Wer sich dieser Schule zuordnet, versteht sich als Gatekeeper, Coach und Qualitätsbotschafter zugleich – mit einem besonderen Verantwortungsgefühl gegenüber den Nutzer:innen. Diese Haltung sorgt für Prozesssicherheit, fundierte Entscheidungen und eine hohe verlässliche Qualitätssensibilität im Unternehmen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, in überregulierten Strukturen zu verharren oder Qualität primär durch Kontrolle zu sichern. Die Kunst besteht darin, Struktur mit Agilität und Verantwortung mit Vertrauen zu verbinden.

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